Freitag, 22. Juni 2012

wie sieht so ein alptag eigentlich aus?

bei mir: 5 uhr 05 singt anthony hegarty mir das lied von der verlorenen liebe auf dem handy;=), dann nochmal um 5:15, wenn ich bis dahin noch nicht unten in der küche am ofen gewesen sein sollte, um feuer anzumachen (auf dem herd stehen jeden abend zwei voll gefüllte riesenkessel für die wäasche der melkkannen nach getaner arbeit) und die müssen jeden morgen erhitzt werden.
die hunde "anziehen", sprich anleinen und los gehts, mal schauen, wo die kühe und rinder sich über nacht so verteilt haben. ganz oben am hang stehen die rinder (also all jene eigenen und geliehenen kühe, die noch nicht "stierig" waren oder es zum ersten mal werden, meist so etwa einjährige). weiter unten, näher am haus weiden die milchkühe, der stier und die kälber. das pony namens boy steht meist allein ganz unten inmitten der riesigen - ansonsten gerade ruhenden weide. boy ist schon 35 jahre alt und hegt wahrscheinlich kaum ambitionen, mit den artfremden gemeinsam herumzulungern.
wir kraxeln meist zum aussichtspunkt mit blick auf den thuner und den brienzer see, im blick dann spiez und ein paar andere, kleinere ortschaften, die sich rund um die gewässer tummeln.
zurück im haus, da steht dann meist der bauer (je nach pegel vom vorabend, gut, schlecht oder mittelgelaunt) - heute zum beispiel musste ich fast schon lachen angesichts seiner scheuklappen. ich kam mit den hundne grad zurück und hatte beide noch an der leine, als er unbedingt sofort die regenplane mit mir zusammen vom milchkessel entfernen wollte. nun braucht man dazu aber vier hände, ich hatte noch keine frei, also stand er da, krampfhaft am pfosten zurrend, während ich die hunde flugs am nächsten weidezaun anbinden musste. das ganze hätte natürlich,. weil die kühe ohnehin noch ganz oben auf der weide standen auch die 2 minuten länger warten können, bis ich die hunde wie gewohnt im zimmer hätte ablegen können.
naja, nicht mehr mein problem, ich hab in den letzten wochen schon viel hinzugelernt, dass ich meines mache, wie ich denke und mich nicht von bauernsturheit aus der ruhe bringen lasse.
weiter gehts: kühe heranlocken, chum, chum, chummm....alles, was nicht willig ist, treibt entweder sissi, die leider nicht trainierte, aber arbeitswillige hütehündin zu oder ich muss mit stock bewaffnet (nicht, um zu schlagen, sondern um verlängerte arme zu haben) hochkraxeln, um - wie heute - den am rinderzaun verliebt blökenden stier einzusammeln.
stromgenerator anwerfen, holz nachlegen, melkschemle umschnalölen und los: ran an die euter und gemolken, die kälber getränkt und dann: frühstück.
momentan hat der bauer zahnprobleme, insofern ein mageres kaffeetrinken mit panoramablick auf die immer wieder neu-schönen berge und wälder, untermalt von variierenden vogelgesängen. gefolgt von aufbruchstimmung, der anhänger mit dem milchtank will angekuppelt sein, das ist allein kaum machbar, für mich jedenfalls nicht und so wuchten wir zu zweit, bis das ganze am alten und zuverlässigen toyota talwärts gerumpelt wird.
zeit für mich und die hunde, der haushalt ist schnell gemacht, das bisschen wasser zum spülen erhitzt der ofen, den wir ja noch vom melkkannenspülen warm haben. gewappnet mit heckenschere und handsäge ziehen wir weideaufwärts, die hunde tollen umher, ich kappe unterdessen noch ein paar von den wuchernden "tannen", die eigentlich fichten sind.
frühstück für die hunde und wenn es nicht grad ärger wie heute morgen gibt zwischen den beiden sonst so miteinander gut auskommenden hunden, ist es dann auch ganz friedlich.  der klapptisch dient als höhle wie als schattenplatz und erst, wenn wir beginnen, zu käsen, werde ich diesen komfort wohl streichen müssen, damit die hundehaare nicht überall herumfliegen.
der tag geht mit lesen, arbeiten und wie gestern beispielsweise beim auftreiben-helfen von 7 nachzüglerrindern eines nachbarn schnell vorbei, da ist dann der bauer samt hündin auch schon wieder zurück, der milchtank geleert. den stall habe ich dann schon so gut es geht, ausgemistet, die kühe, die tagsüber im stall schlafen und nachts weiden, sind aufgestanden und  parat zum neuerlichen melkgang.
kälber und stier tränken, alle, die rausdürfen, abketten oder hier oben (leider) auch abknoten (die ketten mit den schnellverschlüssen sind bei weitem einfacher zu öffnen und zu schließen als die althergebrachten strickknotentechniken). weidezaun prüfen steht natürlich vorher auf der liste. und dann ist zeit fürs abendbrot, hundespaziergang in der dämmerung und die greifvögel, mäuse, katzen und bimmelbammelnden kühe beobachten: ein vergnügen in der lauen abendluft.
gegen zehn uhr spätestens liegen wir dann auch wirklich alle meist schon mit zuckenden gliedern, traumerwartenden köpfen und müden körpern im bett. die hunde müssen sich jeden abend neu einigen, wie die enge kammer aufgeteilt wird und wer versuchen wird, mich aus dem bett zu schubsen;=) im gang ist tatsächlich nur platz für einen hund, also ist eine hälfte des bettes hundedeckenplatz und in den meisten nächten geht es auch friedlich und störungsfrei ab, bis ohnehin schon bald der wecker wieder seine liebeslieder ertönen lässt.
würde ich etwas anders/anderes wollen? momentan nein. nach dem reinigenden gewitter gestern zwischen dem bauern und mir geht es wieder um vieles besser, die schweizer bauern tun sich (und ich ja auch nicht unbedingt) leicht damit, zu artikulieren, was sie umtreibt. so haben wir dann gestern nach einer heftigen debatte doch herausgefunden, dass ihm mal wieder jemand panische angst eingejagt hat wegen möglicher kontrollen. und bußgelder sind hier so ein schlagwort, das großangelegte schlechtwetterstimmungslagen hervorbringen kann. es sei in der schweiz alles so furchtbar, das könne ich mir nicht vorstellen.
mein argument, dass ich in einem land aufgewachsen sei, wo man statt bußgeld gleich mit gefängnis rechnen konnte, zählte natürlich nicht. ;=) überhaupt gibt es scheinbar so eine mentalität, dass die bauern sich nicht gewertschätzt fühlen und die preissenkungen für den liter milch und die reduzierung der sömmerungszuschüsse seitens der kantonsregierungen immer persönlich zu nehmen. vielleicht ist is das in deutschland ganz ähnlich, wahrscheinlich sind bestimmte berufsgruppen prädistiniert dafür, "sich unter wert zu fühlen"? ich weiß es nicht.
ich weiß aber, dass es schön ist, mit den tieren zu sein, die kühe sind ganz eigene charaktere und je besser ich einzelne kennenlerne und ein eigenes verhältnis zu ihnen aufbaue, desto besser geht die arbeit von der hand. und natürlich ist eine bereinigte menschliche situation um ein vielfaches angenehmer als so ein vor sich hinschwelender konflikt. skys schmiss von taras verteidigungsstrategie (es ging um ihren futternapf) unterm auge nehme ich mal als zeichen, dass auch die hunde hier lernen, sich neu einzusortieren;=) alles in allem geht es sky aber schon deutlich besser mit dem neuen umfeld, er unternimmt jetzt schon einmal eigene streifzüge zu seinem lieblingsplatz misthaufen....auch außerhalb meiner sichtweite. und tara entdeckt von tag zu tag mehr den herdenschutzhund in sich, sie verhält sich bilderbuchreif und glücklicherweise auch "sauber". wenn ich besuch einlasse - kann sie durchaus entspannt auf dessen füßen liegen und sich von allen streicheln lassen, weil es ok ist, dass diese leuete von mir hereingebeten wurden.

wieder zwei tage weiter: der rythmus ist ähnlich, abends weiß ich manchmal nicht, wie es sein kann, dass schon wieder einer weg ist. aber genau das wird ja in jedem zen-kloster auch tradiert: soviel tagessymphonie, dass keine zeit für alpenberge gedankenansammlungen bleibt - (ja, ich weiß, die alpen sind zusammengeschobene gebirge, meine gedanken fühlen sich manchmal auch so an;=)
heute war der tag unterbrochen durch meilenweite weidezäune reparieren, zwar heute bei sehr heißem wetter, dafür aber in unwegsamsten gelände, ....jetzt zieht gewitter auf, wir haben die "guschtis" (also die jungrinder, die noch nicht geschlechtsreif sind) in den stall gerettet (vor den unmengen an bösartigen fliegen)

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